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Erasmus+ Langzeitmobilität - Markus Baumann (6B)

Seit Beginn dieses Jahres ist unsere Schule Teil von Erasmus+, einem Programm der EU, das verschiedenste Projekte in den Bereichen Bildung, Jugend und Sport fördert. Im Rahmen dieses Projektes habe ich mich dieses Jahr auf eine einzigartige Reise nach Finnland begeben, auf der ich eine Menge über die dortige Kultur, das finnische Bildungssystem und, letztendlich, mir selbst, gelernt habe.
Am Montag, dem 15. April (nur drei Tage nachdem wir von unserer Sprachreise auf Mallorca zurückgekehrt waren) hat mein Abenteuer begonnen. Leider ist es zu Komplikationen am Flughafen in Venedig gekommen, weshalb ich eine Ersatzroute über Bologna nehmen musste. Trotz des etwas holprigen Starts bin ich am darauffolgenden Morgen heil in Joensuu, der Stadt im Osten Finnlands, in der ich meinen Aufenthalt verbracht habe, angekommen. Eine der für mich zuständigen Lehrerinnen hat mich gleich vom Flughafen abgeholt und mich direkt zur Schule chauffiert, ich bin sehr herzlich empfangen worden und man war von Anfang an sehr freundlich zu mir.
Nachdem mir meine Lehrer vorgestellt worden waren, hat mein Unterricht gleich begonnen. Für die ersten zwei Wochen stand auf meinem Stundenplan: Kochen. Das Institut Riveria, an dem ich meine Erasmusmobilität absolviert habe, hat mehrere Standorte und bietet über 100 verschiedene berufsbildende Ausbildungen an. Wer in Finnland Koch werden will, der sucht sich keine Lehrstelle, sondern eine Kochschule. Dort lernt man alles, was man für seinen Beruf braucht, ohne sich vor Fehlern fürchten zu müssen oder unter Leistungsdruck zu stehen. Alle Praktika und Sommerjobs werden auch von der Schule verwaltet. Der Kochunterricht ist total entspannt aufgebaut, man folgt einfach den Schritten, die einem vorgezeigt werden und dem Rezept, und bei Fragen steht immer ein Lehrer zur Verfügung.
Die praktische Arbeit hat mir auf jeden Fall sehr gefallen, sie bildet einen starken Kontrast zu dem theoretischen Unterricht, den ich in Österreich gewohnt bin. Alles ist sehr abwechslungsreich gewesen: Neben dem Backen, dem Anrühren von Béchamel Sauce und Kellnern im schuleigenen Restaurant, hat auch ein Kochwettbewerb stattgefunden, bei dem die bereits ausgebildeten Köche ihr Können beweisen konnten.
In Joensuu gibt es mehrere große Universitäten und etliche Bildungsangebote, von den 70.000 Einwohnern der Stadt sind rund 20.000 Schüler:innen und Studierende. Auch findet man hier Studierende aus allen Teilen der Welt. Ich habe mit einigen Russen, einem Ägypter, zwei Philippininnen und einer Thailänderin in der Küche zusammengearbeitet. Vor allem im universitären Bereich sind sehr viele Austauschstudenten aus Spanien, es finden sich aber auch einige einheimische Erwachsene, die eine neue Karriere einschlagen wolle, in den Ausbildungsstätten.
In meiner dritten Woche habe ich “normalen” Unterricht gehabt, das heißt Mathematik, Englisch, etc. Das Ganze war trotzdem recht interessant, weil man in Finnland nur noch digital arbeitet. Schulbücher haben die Schüler gar nicht mehr, dafür bekommen sie Zugang zum Online-Lernportal und einen eigenen Laptop. Auch die meisten Arbeitsaufträge sind digital zu erledigen, so spart man sich viel Papier für Arbeitsblätter und die Lehrer sind in der Lage, die Fortschritte der Schüler anzusehen. Auch wenn ich gemischte Gefühle über die komplette Digitalisierung des Schulalltags habe, gibt es sicher viele Punkte, in denen wir Österreicher von den Finnen lernen könnten.
Nachdem ich gemeinsam mit meiner Familie ein Wochenende in Helsinki verbracht hatte, haben wir mit einer Gruppe von Schülern von einer französischen Kochschule einen Ausflug in den Koli Nationalpark, dem Naturjuwel Ostfinnlands, unternommen. Das war auf jeden Fall sehr beeindruckend, der Koli “Berg” ist zwar nur 354 m hoch, aber das ist für Finnlands Verhältnisse eh hoch. Die typischen Bilder, die man im Kopf hat, wenn man an Finnland denkt, sind genau der Ausblick von diesem Berg auf einen großen blauen See mit vielen kleinen grünen Inseln. Die Natur und die Seen in Finnland sind absolut sehenswert, es gibt sehr viele naturbelassene Gebiete, und man findet auch überall öffentliche Lagerfeuerplätze mit Brennholz zur freien Benutzung.
Wer Finnland erleben will, der darf auf jeden Fall nicht auf einen (oder viele) Saunabesuch(e) verzichten. Das Land hat 5,5 Millionen Einwohner und 3 Millionen Saunen, die Finnen lieben das Schwitzen und es ist ein essenzieller Teil ihrer Kultur.
Generell sind die Finnen ein sehr ruhiges Volk. Die Leute sind eher introvertiert und schüchtern, besonders die Jugend, und sie bleiben gerne unter sich. Dafür sind sie jedoch sehr freundlich, achten aufeinander und bedanken sich bei jeder Gelegenheit. Sie sind vielleicht teilweise ein wenig überrascht, wenn man sie auf der Straße grüßt, dafür schätzen sie aber umso mehr ein jedes „Kiitos” („Danke” auf Finnisch). Ihre Kultur unterscheidet sich doch um einiges mehr als erwartet von der unsrigen.
Apropos Kultur: Joensuu, gegründet 1848 als Teil des Russischen Reichs, ist die Hauptstadt Nordkareliens, der östlichsten Region Europas. Lange Zeit waren große Teile Finnlands unter schwedischer Herrschaft, weshalb Schwedisch immer noch eine Amtssprache ist und alle Schüler:innen obligatorisch Schwedisch lernen müssen. Die Finnen können sich jedoch auch gut mit den baltischen Staaten identifizieren. Besonders Estland ähnelt Finnland kulturell, unter anderem, weil die beiden Landessprachen sehr ähnlich sind. Einige Leute haben nur wenig Englisch sprechen können, oftmals hängt das mehr mit mangelndem Selbstvertrauen als mit dem tatsächlichen Sprachniveau zusammen.
Da Finnisch eine sehr schwer zu erlernende Sprache ist, ist die Kommunikation oftmals schwierig gewesen. Glücklicherweise bin ich in der Lage gewesen, mich mit anderen internationalen Schülern anzufreunden. Ich habe tatsächlich nicht viel Zeit mit finnischen Personen verbracht, es benötigt eine Menge Zeit, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Teilweise ist das herausfordernd für mich gewesen, ich bin ziemlich extrovertiert und benötige viel Kontakt zu anderen. Ich bin mir dessen zwar vorher auch teilweise bewusst gewesen, aber durch diese Erfahrung habe ich realisiert, dass die Menschen um mich herum meine wichtigste Energiequelle sind. Letztendlich hat mich das alles daran erinnert, wie wertvoll Freunde und Familie sind.
In meiner fünften Woche bin ich dann gemeinsam mit einer Gruppe Deutscher, die bei Mercedes arbeiten, in den Automobilsektor gekommen. Der Campus dort ist gigantisch, von Holz- und Metallverarbeitung, über Bauwesen bis hin zu Mechatronik gibt es alles. Wir haben auch mehrere Ausflüge gemacht, unter anderem in eine Fabrik von John Deere, wo die großen Harvester hergestellt werden, und zu einem anderen Riveria Campus, bei dem Schüler Ausbildungen wie jene zum Baggerfahrer oder Waldarbeiter machen konnten. Was mich besonders fasziniert hat: Die Schule hat eigene Bagger, Busse, LKWs und Waldmaschinen, die die Schüler zum Üben benützen können. Der Staat gibt in Finnland Unmengen an Geld für Bildungseinrichtungen aus, das Bildungssystem ist sehr fortschrittlich und es wird auch viel Wert darauf gelegt, Erwachsenen Bildungsmöglichkeiten attraktiv zu machen.
Zum Schluss ist es für mich eine Woche lang in den IT-Bereich, den für mich interessantesten, gegangen. Dort lernen die Schüler:innen, ähnlich wie bei uns auf einer HTL, alles, was man benötigt, um ein voll arbeitsfähiger Software-Entwickler zu werden. Den Schüler:innen wird bei den Aufträgen eine Menge Freiheit gegeben und sie müssen sich die Zeit selbst so einteilen, dass sie gut zurechtkommen. Wie auch der Rest meiner Reise hat diese Woche meinen Umgang mit Verantwortung verbessert und mich einiges gelehrt.
Nachdem ich meinen Rucksack gepackt und mich von all den Personen, die mir wichtig gewesen sind, verabschiedet hatte, bin ich am 27. Mai nach Österreich zurückgekehrt, mit mehr Selbstständigkeit, vielen wertvollen Erfahrungen, und einer Menge Wissen über mich selbst im Gepäck. Ich bin zutiefst dankbar für diese Möglichkeit, würde sie ohne zu zögern sofort wieder nutzen und kann einem jeden, der sie bekommt, herzlichst empfehlen, sie nicht an sich vorbeiziehen zu lassen. Meine erste große Reise war ein Riesenerfolg, hoffentlich werden die zukünftigen auch so großartig, lehrreich und einzigartig sein.


 
 

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